Von Eugen von Arb
Das Szenario der Parlamentswahlen im Dezember wiederholt sich: Während die russische Wahlbehörde auf der Korrektheit der Präsidentenwahl beharrt, wachsen die Zahl der gemeldeten Verstösse in die Tausende. Da kann doch etwas nicht stimmen? Oder jemand lügt? Oder liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte? Aber selbst dann kann es ja nicht sauber gelaufen sein – die Sache wirkt einfach verdammt hingebogen.
Mit tausenden von Überwachungskameras wird die Transparenz und Korrektheit der Präsidentschaftswahlen garantiert. Gleichzeitig wissen alle, dass die Betrügereien dann eben woanders stattfinden. Zum Beispiel in den Fabriken, wo hunderte von Wählerinnen und Wähler unter Ausschluss von Beobachtern wählen, oder auf manipulierten Wahlprotokollen oder leeren Wahlzetteln, die plötzlich wie von Zauberhand ausgefüllt auftauchen …
Dem Kontrollzwang des Regimes steht das Misstrauen des Volks gegenüber. Es ist wie mit der Korruption und der Bürokratie – je mehr man ihnen den Kampf ansagt, desto stärker scheinen sie zu wuchern. Die Verstösse werden geahndet, versichert die Regierung, was dasselbe wie „vergessen“ zu heissen scheint. Eine Art Selbstbetrug.
Nur gibt es bei den Wahlen eigentlich nichts zu betrügen. Wer fair wählt, erhält ein faires Resultat, wer Wahlen manipuliert, manipuliert sich selbst, weil er sich nicht vertraut. Darum geht es auch in Russland erst, wenn keine einzige Kamera mehr hängt – erst wenn dieser durchdringend-misstrauische Blick von oben und von unten fehlt, ist die Sache gradegebogen.
Bild: Eugen von Arb/ SPB-Herold
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