Norbert Lammert, der Präsident des Deutschen Bundestages, besuchte Sankt Petersburg in Rahmen der 137. Versammlung der Interparlamentarischen Union (IPU). An der Staatlichen Universität Sankt Peterburg hielt er einen Vortrag über den Parlamentarismus, die deutschen Wahlen 2017 und das politische System in der Bundesrepublik.
Lammert nannte die Grundlagen der Parlamentarismus eines demokratischen Staats: Dazu gehörten freie Wahlen, eine Pluralität der konkurrierenden Parteien und Kandidaten, sowie die Gewaltentrennung, so Lammert. „Aus 200 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen entsprechen diesen vier Kriterien nur 13. In den letzten zehn Jahren sind keine dazugekommen“, – zog Bundespräsident das Fazit.
„Griechenland, das man für das Vaterland der Demokratie hält, könnte heute nicht Mitglied der Europäischen Union werden, weil es den Ansprüchen eines modernen demokratischen Systems nicht genügt“, meinte er. Deutschland, so Lammert, sei das Beispiel dafür, dass ein Land manchmal einen längeren Anlauf brauche, bis stabile Demokratie zustande käme.
Lammert: Deutsches Wahlsystem zu kompliziert
Lammert nannte das deutsche Wahlsystem zu kompliziert, weil es zwei Stimmen gibt: die Erste – für einen Kandidaten aus bestimmtem Wahlkreis, unabhängig von der Partei, zu dem er gehört, die Zweite – für Partei. Trotzdem ergibt dieses System ein Resultat, das dem Wählervotum entspricht. Dadurch erklärte Herr Lammert auch den Anstieg von Parlamentsmitglieder von 600 auf 700.
Der Bundespräsident kommentierte auch, warum viele Deutsche bei den letzten Wahlen ihre Stimme für die Partei „Alternative für Deutschland“ abgaben. Seiner Meinung nach ist es damit verbunden, dass die Erwartungen der Wähler an das vorherige Parlament enttäuscht wurden. Lammert betonte: „Die Qualität eines politischen Systems erkennt man nicht daran, dass die Mehrheit Entscheidungen trifft, sondern daran, welche Möglichkeiten Minderheiten haben, bevor es zum Mehrheitsentscheidung gekommenen ist.“
Der Bundestagspräsident antwortete auch auf die Fragen von den Studenten und Lektoren. Unter den Gesprächsthemen waren die mögliche Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme, der Brexit und die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union. Auch die weltweite Tendenz zum Rechtsextremismus wurde nicht außer Acht gelassen.
Von Aleksandra Kolabinova
Bild: Universität St. Petersburg
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